Bus nach Mandalay

Es ist 3 Uhr morgens als wir mit einem Gefühl wie „nach Hause zu kommen“ den Nachtportier herausklingeln und Einlaß begehren. Wir stehen vor dem AD-1 in Mandalay wo sich unsere jetzige West-Ost Route mit unserem Nord-Süd Weg vom letzten November kreuzt. Damals hatten wir nicht daran gedacht, dass es uns so schnell wieder nach Mandalay verschlagen würde, jetzt wirkt hier alles so vertraut auf uns. Die Formalitäten an der Rezeption sind schnell erledigt und wir fallen totmüde ins Bett. Um 10 Uhr hatten wir gestern morgen in Mrauk U den Bus nach Mandalay bestiegen, den wir eigentlich nur bis Magwe nutzen wollten um dort einen Übernachtungsstop einzulegen. Da wir dort aber nicht wie geplant gegen 18 Uhr sondern erst um 21 Uhr eingetrafen hatten wir uns kurzfristig dazu entschlossen an Bord zu bleiben und bis Mandalay durchzufahren. Die 17 Stunden in dem „Reisebus“ waren einmal wieder eine rechte „ethno-authentische“ (diesen schräg-schönen Begriff habe ich irgendwo im Stefan Loose Reiseführer Myanmar gefunden) Erfahrung. Unser sehr sportiv eingestellter Fahrer konnte keinen anderen Bus vor sich leiden und so wurden wir nicht nur Zeuge von Formel 1 würdigen Überholmanövern – man bedenke dabei, dass durchgängig nur eine Fahrspur „befestigt“ ist und man bei Bedarf auf den unfestigten Randstreifen ausweichen muss – sondern auch von einer halbstündigen Verfolgungsjagd über einen Paß in der dicken Staubwolke des Vordermannes. Als uns dieser endlich passieren ließ war in unserem Bus bereits alles mit einer dicken Staubschicht überzogen. Die Fenster konnten in der Staubwolke nicht geschlossen werden weil sich einige der Mitreisenden fortwährend ihres Mageninhalts entledigen mussten. Somit blieb nur die Wahl zwischen Staub oder dem Geruch von Erbrochenem. Immer wenn die Fehlerkorrektur des DVD-Spielers eine Chance gegen die Aussetzer hatte, die durch die Rüttelpiste hervorgerufen wurden, gab es Musikvideos. Wobei der ethnologisch interessierte Beobachter entgegen aller sich einstellender Gefühle nicht korrigierend eingreifen darf um z.B. vielleicht wenigstens auf die Lautstärke Einfluß zu nehmen. Nach einigen Stunden authentischer Einwirkung auf mich denke ich, dass diese Mischung aus Lautstärke, Klirrfaktor der Boxen, Genre der „Musik“ zusammen mit den Fahreigenschaften unseres rollenden Konzertsaales alle Bedingungen für eine erfolgreiche Foltermethode erfüllt. Unser Busfahrer hatte bereits 5 Stunden Lenkzeit hinter sich als wir in Mrauk U zustiegen. Die kurvige Strecke durch und über das Küstengebirge zuerst nach Ann und dann hinüber nach Magwe ist alles andere als leicht zu fahren sondern erfordert nicht nur wegen der sehr schlechten Straße sehr viel Aufmerksamkeit. So begann ich mich, nach für ihn dann bereits 12 Stunden am Steuer, zu fragen wie lange die Betelnüsse, die er fortwährend kaute, wohl noch tragen würden. Die Antwort in Form eines Kollegen stieg dann weitere 4,5 Stunden später aus einem entgegenkommenden Bus zu und löste ihn für die restliche Zeit durch die Nacht bis Mandalay ab. Es gab aber auch eine Welt außerhalb des Busses und diese bestand auf gut 200 km aus völlig kahlrasierten Bergen und Hügelketten. Hier wurde so ziemlich ganze Arbeit geleistet und alle Bäume einer Verwendung zugeführt. In ein paar engen Tälern stehen noch kleine Flecken Restwald und diese lassen immerhin erahnen wie diese Berge einmal ausgesehen haben müssen. Jetzt gibt es so weit das Auge reicht nur eine Bambusart, die alles mit einem grünen Flaum überzieht. Mit jeder Stunde, die wir durch diese Landschaft fuhren, verstärkte sich die Bestürzung, die diese Szenerie in uns hervorrief. Wir wollen versuchen Informationen darüber zu bekommen wer hier wann diese Herkulesaufgabe gestemmt und tabula rasa gemacht hat. Natürlich ändert dies nichts, auch wollen wir uns auch nicht darüber entrüsten, schließlich haben wir in Europa auch alles plattgemacht und fliegen jetzt um die halbe Welt um noch mal ein bißchen ursprüngliche Restnatur zu erleben, sondern wir möchten gerne mehr über die Geschichte dieses Landstriches wissen. Da wir häufig beide Hände benötigten um auf den Sitzen Halt zu finden gibt es nur ein paar wenige Schnappschnüsse aus dem Bus. Über die Leiden eines Photographen in einem Bus habe ich ja schon früher ausreichend lamentiert.

Soweit das Auge reicht gibt es keinen Wald mehr.

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