Boot oder kein Boot

Es ist 4 Uhr, der Zug aus Mandalay passiert laut tutend den letzten Bahnübergang vis a vis vor unserer Herberge bevor er in den nördlichsten Bahnhof von Myanmar einfährt. Er hat wohl ca. 26 Stunden für diese Strecke gebraucht. Eine Fahrt , die unser Reiseführer – je nach Perspektive – als Abenteuer oder Tortur beschreibt. Wir hatten die Weichei-Variante bevorzug und den Flieger genommen, Flugzeit von Mandalay nur ca. 1,5 Stunden und auch mit sehr schönen Ausblicken auf die Landschaft – unter uns. Lärm scheint hier zum Verkehr zu gehören, es kam mir schon so vor als ob die ständigen kurzen Hubsignale wie die Klicklaute bei den Feldermäusen der Orientierung in dem Verkehrsgewimmel dienen. Als Antwort auf die Frage was wohl eine Hinterlassenschaft der britischen Kolonialzeit sein könnte, konnten wir auf jeden Fall das Schlangestehen ausschließen. Der Straßenverkehr fließt hier eher kreativ. Es ist 5 Uhr, der Muezin ruft zum Gebet, hier im Norden gibt es ein buntes Völkergemisch und der Buddhismus ist nicht mehr die dominierende Religion. So gibt es hier auch eine große muslimische Gemeinde mit einer entsprechend schönen Moschee. Es ist 6 Uhr, Kirchenglocken läuten, auch die Christen sind hier vertreten. Sehr präsent sind die Baptisten, gestern Abend hat mir noch ein Missionar erklärt, dass Gott ihn aus Illinois zu diesen Menschen hier geschickt hat … auf dieser Basis tue ich mich immer schwer in der Kommunikation da ich weder über solche Kanäle verfüge noch mich gerne missionieren lasse. Aber es geht noch mehr Multikulti, beim Abendessen in einem Restaurant nebenan, das auf den Namen „Orient“ hört, grasten ein paar heilige Kühe aus der Hindugemeinde neben unserem Tisch. Es ist 6:30 Uhr, jetzt ertönt Dhingis Khan, ein deutscher Schlager aus den 80ern ist bestimmt das Letzte was ich hier erwartet habe aber der Rhytmus scheint den Mädels in der Halle nebenan bei ihrer morgentlichen Power-Aerobic-Stunde zu gefallen … ok, ich habe endgültig verstanden, es ist höchste Zeit den morgendlichen Rundgang über den lokalen Markt zu beginnen. Wir sind in Myitkyina, einem wichtigen Handelszentrum zwischen Myanmar und China und der Heimat von Kachin, Shan, Inder, Karen, Chinesen und Gurkhas. Diese quirlige Stadt sollte Ausgangspunkt für eine beschauliche Flußfahrt auf dem Irrawaddy hinunter nach Mandalay werden … sollte, denn die beiden ersten Tagesetappen bis Bhamo können wir gleich wieder vergessen weil dieser Bereich wegen lokaler „Spannungen“ für Ausländer gesperrt ist. Mit uns gestrandet ist hier Regina aus der Schweiz, die aus Mandalay gekommen ist und dort versucht hatte aktuelle Informationen zu Reisebeschränkungen zu bekommen … die könne sie in Myitkyina bekommen hieß es. Bislang hatten wir diese Restriktionen mehr für Schikane gehalten, aber nach der Erzählung von Lisa, die wir am Inle-See getroffen haben sind wir uns da nicht mehr so sicher. Sie war durch einen Fehler bei einer Reiseagentur in einen lokalen Bus geraten, der nicht für Ausländer genehmigt ist und durch eine wohl sehr eigenmächtige Wahl der Fahrtroute durch den Busfahrer kam es nachts um 1 Uhr zu einem Überfall auf diesen Bus. Er wurde von einer großen Zahl von Männern mit Steinen und Latten angegriffen wobei viele Fenster zu Bruch gingen und einige Fahrgäste verletzt wurden. Irgendwie hat es der Busfahrer aber geschafft weiterzufahren um aus dieser Situation herauszukommen. Ok, wir akzeptieren jetzt ersteinmal diese Beschränkungen. Es mußte also ein Plan B her, aber auch nicht so eilig, da mich ein blöder Infekt für ein paar Tage platt gemacht hat. Zwischenzeitlich hat mich die Achterbahnfahrt des Fiebers richtig gestresst, erst ein negativer Test auf Malaria bei einem sehr lieben Doc hat die Lage wieder entspannt. Der Plan B ist inzwischen höchst simpel, wir fliegen nach Bhamo um dort auf’s Schiff nach Mandalay zu gehen. Immerhin gibt es einmal die Woche einen Flug, am Sonntag den 16. soll er stattfinden. Kurzfristig hatten wir ins Auge gefaßt noch weiter in den Norden zu reisen bis nach Putao, das schon fast an der Grenze zu Tibet liegt und einen wunderschönen Blick auf den Himalaya bieten soll, aber ohne Sondergenehmigung hätten wir den Ort nicht verlassen dürfen. Diese Genehmigung hätten wir nur in der Haupstadt Nay Pyi Taw – 900km südlich von hier – beantragen können … damit hat es Putao unverhofft auf unsere Liste der Sehnsuchtsziele geschafft. Damit wird wohl Myitson der nördlichste Punkt dieser Reise bleiben. Er liegt ca. 50 km nördlich von Myitkyina, dort vereinen sich die beiden Flüsse Mehka und Malihkaund bilden ab hier den Irrawaddy. Beate war mit einen lokalen Führer auf dem Motorrad dorthin gefahren. Jacob – diesen Namen würde man hier bei einem Einheimischen auch nicht unbedingt erwarten – ist ein ganz lieber Kerl, der auch als Night Manager in unserer Herberge schafft. Sein Name hat wohl etwas mit seiner christlichen Erziehung zu tun. Als er zwei Jahre alt war wurde sein Vater bei Kämpfen getötet, somit ist Jacob allein bei seiner Mutter aufgewachsen. Auf den Religionsmix hier oben angesprochen meinte Jacob, er hat Freunde die sind Buddhisten und andere sind Moslems, das sei egal, die Religionen wären sowieso nur dazu da damit die Menschen anständig miteinander umgehen. Wenn es doch nur immer so einfach sein könnte.

Jetzt geht es aber ersteinmal nach Bhamo und von dort nach Mandalay, auch so ein wunderschöner Name, der zum Träumen einlädt. Dort sollte es auch wieder einen zuverläßigeren Internetzugang geben, der ein Hochladen von Fotos erlaubt. Da Myitkyina nicht auf Touristen eingestellt ist fehlen Internetcafes und Restaurants mit Wifi. Manche Hotels bieten sporadisch Internetzugang, wenn der Strom nicht mal wieder ausgefallen ist, doch der ist dann so langsam, dass die Verbindung häufig auf einen Timeout läuft …. aber deshalb sind wir ja nicht hier.

Frühnebel im Tal des Irrawaddy.

Am Irrawaddy, aber wir dürfen nicht von hier mit dem Boot weiterfahren.

Buddhisten,

Moslems,

Hindus,

Christen und alle leben hier friedlich zusammen.

Auf dem Markt

Nicht nur deutsche Produkte werden in China kopiert.

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